Closed Circles



Die 24-Kanal-Multimedia-Installation Closed Circles von Erik Swars ist gleichzeitig eine Ansammlung ortsspezifischer Skulpturen, wie auch ein vom Objekt gelöstes, bildproduzierendes System im Zustand kontinuierlicher Neuerschaffung. Closed Circles besteht aus 24 skulpturalen Körpern, die simultan jeweils immer ein Bild hervorbringen. Bei den skulpturalen Körpern handelt es sich um Metallstelen, die in immer identischem Abstand entlang eines Breitengerades angeordnet sind. Jede Stele ist mit einer ortsgebundenen Kamera verschaltet, die kontinuierlich ihren Umraum abbildet. Sie zeigt jeweils immer zwei Bildkomponenten: Himmel und Landschaft. Abgebildet wird dieses Gebilde in ununterbrochener Kontinuität, es kann durch die Betrachtenden zu jeder Sekunde abgerufen werden, die sich kontinuierlich verändernde Natur und die sich im unendlichen Zyklus befindlichen Zustände der Atmosphäre sind zu jeder Zeit in immer den gleichen Bildausschnitten zu sehen. Durch die räumliche Anordnung der Kamera-Skulptur Verschaltungen in 24 Standpunkte wird eine Dezentralisierung der menschlichen Perspektive erzeugt, wobei die Kamera zur Prothese optischer Wahrnehmung wird und sich konzeptuell einer im buchstäblichen Sinne universellen Naturbetrachtung annähert. Jede Veränderung des Umraums der Kamera wird zu jeder Zeit gezeigt und existiert unabhängig von Betrachtenden, wenngleich sie zu jeder Zeit aktiviert werden kann. So ergibt sich ein Zeit-/ Bildfenster einer zeitlich gleichgeschalteten Naturbetrachtung. Der Himmel kann sowohl kompositioneller Bestandteil einer Landschaft, als auch ein davon unabhängiges, autonomes Konstrukt sein, das als Naturphänomen wie auch als kulturell vermitteltes Bedeutungssystem existiert. Für sich stehend ist er ewige Konstante irdischer Verortung und immer verbleibendes Raumelement allen irdischen Seins. Er ist konstant präsent und befindet sich gleichzeitig im Zustand konstanter Veränderung. Den Himmel abzubilden kann bedeuten, singuläre Erscheinung, ewigen Prozess, wie auch den vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Moment ineinander zu vereinen und gleichwertig ineinander übergehen zu lassen. Jedes Bild des Himmels, das in Closed Circles produziert wird, vergeht im Moment seiner Entstehung und ruft uns erneut ins Gedächtnis, dass alles Irdische vergänglich ist. Der Himmel kann auf diese Weise als Sinnbild generativer Möglichkeiten verstanden werden. In isolierter Betrachtung kann auch Landschaft in Closed Circles als eigenständiges System operieren. Keine Landschaft existiert für sich selbst. Sie ist ein erst im menschlichen Auge entstehendes Gebilde, das erst mit dem Resonanzkörper des Blicks hergestellt wird. So kann sie als bildliche Darstellung auch immer als Projektionsfläche agieren. In den Theorien des Kunsthistorikers William James Thomas Mitchell ist sie bereits unabhängig ihrer Darstellung eigenständiges Medium: „Landscape is not a genre of art but a medium.“1 Swars bedient sich diesem Medium und bildet 24 unterschiedliche Landschaften ab, die durch die Linse der Kamera konstruiert werden. In 24-facher Darstellung ordnet Swars die Kamerabilder im Raster an und erzeugt somit eine schematisierte Darstellungsform der einzelnen Naturräume. Jedes einzelne der 24 Bilder ist eine für sich stehende kontemplative und vermeintlich unvoreingenommene Naturbetrachtung, und alle 24 Bilder zusammen ergeben gleichzeitig eine Annäherung an die Betrachtung eines großen Ganzen. In unendlicher Schleife gehen in Closed Circles transzendentale Naturbetrachtungen in Rationalisierungen von Natur und ihren Phänomenen über, reproduzieren und dekonstruieren menschliche Ordnungssysteme der Natur und erwecken doch ein Gefühl der Ehrfurcht.



Miriam Schmidt


1 Mitchell, W.J.T: Imperial Landscape. In: In: Ders. (Hrsg.): Landscape and Power. 2. Auflage, Chicago 2009, S. 5 -34. Hier S. 5. 

















































Immer der untergehenden Sonne zu folgen, bedeutete einen Breitengrad entlangzugehen und die unsichtbare Linierung der Meridiane zu durchschneiden, die eine planetare Lüge manifestierte, anstatt die Wahrnehmung zu zelebrieren, dass unsere Bindung an Perspektive, die Wirklichkeit verzehrte. Denn die Sonne geht nicht auf, noch unter, aber vielleicht ist diese verzehrte Sicht auf die Dinge, Teil eben dieser Realität. Durch eine nicht endende Wanderschaft könnte sich vielleicht die Zeit austricksen lassen. Sich des Ortes und der Zeit zu entledigen, als die Praxis, die Erdrotation zu entheben und die Freiheit zu entfesseln, ohne Uhr und Rituale ein unschuldiges Sehen vor dem sich entziehenden Horizont zu erlernen. Sehr viel später während meines Studiums las ich bei Kant, dass das Nacheinander der Zeit und das Nebeneinander des Raums unsere Wahrnehmung strukturierten. Zeit und Raum verengen unser Sehen zu einer Wahrnehmung, die eine unhintergehbare Struktur geworden ist. Die Uhren und Räume, die Atomuhren und die White Cubes, das Internationale Büro für Maß und Gewicht und das Bauhaus formulierten entgegen der Utopie der Wanderung die Sekunde und die rechtwinklige Raumecke. Darauf folgte die Arbeitszeit und die Nationalgrenzen. Wir haben diese Täuschung der Sonnenwanderung nicht überwunden, sondern als „Kopernikanische Wende“ in Disziplinierungen übersetzt, hinter denen sich wahrscheinlich andere Lügen verbergen. Wir sind dieser Enttäuschung nicht gerecht geworden, dass wir von unserem Planet angelogen wurden und dass er wie jeder Lügner ein vollendeter Narzisst ist, der uns glauben lässt, dass er im Mittelpunkt von allem steht. Die Natur von Tag und Nacht war, dass unsere Wahrnehmung lügt und wir ein unschuldiges Sehen zu suchen haben. Closed Circles ist eine künstlerische Recherche, sie ist eine multimediale Suche nach dem unvoreingenommenen Sehen. Recherche – ein vielseitiges, ein verseuchtes Wort. Die Suche von CC nach einem Nullpunkt der Wahrnehmung, die wieder Sehen zu können. Ein Nullpunkt ist der Mittelpunkt der Drehung, die niemals konkret sein kann, sondern immer ein Abstraktum bleibt. Denkt man sich beispielsweise in die Drehung eines Rads, dann verlangt unser Denken, dass das Rad auf einer Achse hängt, einem stillen Punkt in der Mitte. Doch den gibt es nicht und alles befindet sich in Bewegung. Es galt zu einem anfänglichen Sehen zu kommen, das diesem Sprung auf eine feste Achse nicht mehr bedarf. Vielmehr ist nach einem primordialen Auge gefragt, das noch nicht durch unsere gedanklichen Konventionen strukturiert ist, sondern in der nackten Bejahung der Veränderlichkeit mündet, ohne den Halt einer Achse zu benötigen. Vielmehr hängt die Rotation an dem Abstrakten. Das Abstrakte ist von einer Festigkeit, die wir nicht fähig sind wahrzunehmen. Closed Circle zeigt bewegte Fotografien in einem Kreis aus, die nichts erzählen möchten, aber etwas zeigen, für das ein Sehen zuerst wiedergewonnen werden muss. Diese Ausstellung zeigt 24 bewegte Fotografien, die in einem Kreis aufgestellt werden, 24 Bewegtbilder, jedes eine Sekunde sichtbar, bis ein Röhrenfernseher das nächste Livebild von einer der 24 Webcams aus einer der 24 Zeitzonen bzw. Zeitorten zeigt. Es entsteht ein Anti-Foucaultsches-Pendel, das eben nicht mehr die Erdrotation sichtbar werden lässt, sondern sie im Gegenteil multimedial nivelliert. Das Interessante an dieser Multimedia-Arbeit ist weniger ihr Umgang mit Zeit – durch ein Spiel mit der gleichen Dauer von Aufnahme- und Abspielzeit – als ihr Umgang mit Raum. Indem es die Zeit wieder auf ihre Örtlichkeit zurückbindet, kann das „Video“ wieder auf seine lateinische Herkunft zurückgeführt werden: „Ich sehe“ – und dies galt es in CC in einem Nullpunkt der Rotation zu erfahren.


Dr. Tobias Muno


 

The 24-channel multimedia installation Closed Circles by Erik Swars is both a collection of site-specific sculptures and an image-producing system that is detached from the object and in a state of constant re-creation. Closed Circles consists of 24 sculptural bodies, each of which simultaneously produces an image. The sculptural bodies are metal stelae arranged at identical intervals along a straight line. Each stele is connected to a stationary camera that continuously images its surroundings. It always shows two image components: Sky and landscape. This structure is shown in uninterrupted continuity, it can be called up by the viewer at any second, the constantly changing nature and the states of the atmosphere in an infinite cycle can be seen at all times in the same image sections. The spatial arrangement of the camera-sculpture connections in 24 points of view creates a decentralization of the human perspective, whereby the camera becomes a prosthesis of optical perception and conceptually approaches a literally universal view of nature. Every change in the camera's surroundings is shown at all times and exists independently of the viewer, although it can be activated at any time. This creates a time/image window of a temporally synchronized observation of nature. The sky can be both a compositional component of a landscape and an independent, autonomous construct that exists both as a natural phenomenon and as a culturally mediated system of meaning. Standing on its own, it is an eternal constant of earthly location and an ever-remaining spatial element of all earthly existence. It is constantly present and at the same time in a state of constant change. To depict the sky can mean to unite singular appearance, eternal process, as well as the past, present and future moment into one another and to allow them to merge equally. Every image of the sky produced in Closed Circles fades at the moment of its creation and reminds us once again that everything earthly is transient. In this way, the sky can be understood as a symbol of generative possibilities. Viewed in isolation, landscape in Closed Circles can also operate as an independent system; no landscape exists for itself. It is an entity that first emerges in the human eye, which is first produced with the resonating body of the gaze. Thus, as a pictorial representation, it can always act as a projection surface. In the theories of art historian William James Thomas Mitchell, it is a medium in its own right, independent of its representation: "Landscape is not a genre of art but amedium. "1 Swars makes use of this medium and depicts 24 different landscapes that are constructed through the lens of the camera. Swars arranges the camera images in a 24-fold grid, thus creating a schematized form of representation of the individual natural spaces. Each of the 24 images is a contemplative and supposedly unbiased view of nature in its own right, and all 24 images together simultaneously result in an approximation of the observation of a larger whole. In an infinite loop in Closed Circles, transcendental observations of nature merge into rationalizations of nature and its phenomena, reproducing and deconstructing human systems of ordering nature and yet awakening a sense of awe.


Miriam Schmidt


Always following the setting sun meant walking along a latitude and cutting through the invisible lines of the meridians that manifested a planetary lie, rather than celebrating the perception that our attachment to perspective consumed reality. For the sun does not rise, nor set, but perhaps this consumed view of things is part of that very reality. Time could perhaps be tricked by a never-ending wandering. Getting rid of place and time as the practice of unleashing the rotation of the earth and unleashing the freedom to learn to see innocently before the withdrawing horizon without clock and rituals. Much later, during my studies, I read in Kant that the succession of time and the juxtaposition of space structured our perception. Time and space narrow our vision to a perception that has become an inescapable structure. Clocks and spaces, atomic clocks and white cubes, the International Bureau of Weights and Measures and the Bauhaus formulated the second and the right-angled corner of space in opposition to the utopia of wandering. This was followed by working time and national borders. We have not overcome this illusion of the sun's migration, but have translated it as the "Copernican Revolution" into disciplines that probably conceal other lies. We have not lived up to this disappointment that we have been lied to by our planet and that, like any liar, it is a consummate narcissist, making us believe that it is at the center of everything. The nature of day and night was that our perception lies and we have to seek an innocent vision. Closed Circles is an artistic research, it is a multimedia search for unbiased seeing. Research - a multifaceted, contaminated word. CC's search for a zero point of perception, to be able to see again. A zero point is the center of rotation, which can never be concrete, but always remains an abstraction. If, for example, we think of the rotation of a wheel, then our thinking demands that the wheel hangs on an axis, a still point in the middle. But this does not exist and everything is in motion. The aim was to arrive at an initial vision that no longer requires this jump to a fixed axis. Rather, we are looking for a primordial eye that is not yet structured by our mental conventions, but instead leads to the naked affirmation of changeability without needing the support of an axis. Rather, the rotation is attached to the abstract, which is of a solidity that we are not capable of perceiving. Closed Circle shows moving photographs in a circle that do not want to tell anything, but show something for which seeing must first be regained. This exhibition shows 24 moving photographs placed in a circle, 24 moving images, each visible for one second until a tube television shows the next live image from one of the 24 webcams from one of the 24 time zones or time locations. The result is an anti-Foucault pendulum that no longer makes the earth's rotation visible but, on the contrary, levels it out using multimedia. The interesting thing about this multimedia work is less its handling of time - by playing with the same duration of recording and playback time - than its handling of space. By linking time back to its locality, the "video" can be traced back to its Latin origin: "I see" - and this was to be experienced in CC in a zero point of rotation.


Dr. Tobias Muno